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Die Geschichte der Bettfedernfabrik Werner & Ehlers

Seit 1990 gibt es in Hannover keine Bettfedernfabrik mehr. Mit dem Konkurs von Werner & Ehlers endete, in der Stadt weitgehend unbeachtet, eine 129-jährige Tradition der Federnveredelung.

Im Jahre 1861 gründete der Kaufmann Theodor Wilhelm Werner im Immengarten des damals noch selbstständigen Dorfes List eine Firma für den Handel mit Bettfedern. Bereits nach einem Jahr tat er sich mit einem Kompagnon, dem Kaufmann Johannes Ehlers, zusammen und verlegte den Firmensitz nach Hannover in die Kirchwenderstraße 6. Neben den Handel mit Bettfedern trat ein weiteres Gewerbe: die industrielle Reinigung und Veredelung von Bettfedern. Importierte Rohfedern wurden mechanisch von Staub und Schmutz gereinigt, nach Qualität sortiert und schließlich gedämpft. Die Produktion erfolgte unter Einsatz von Dampfmaschinenkraft in einer für die Zeit typischen Fabrikanlage mit Kesselhaus, Hauptgebäude mit Fabriksaal, Nebengebäude und Löschwasserteich.

Im Jahre 1875 übernahm der Neffe des Firmengründers, August Werner (1845 – 1916) die Firma. Unter seiner über 40jährigen Leitung expandierte das Unternehmen zu einem Betrieb, der in seiner Branche einen Spitzenplatz im Deutschen Reich einnahm. Als Vorreiter in diesem Produktionszweig führte Werner & Ehlers die so genannte Nassreinigung ein. Für die neuen Waschmaschinen reichte das Gelände nicht aus, zudem wurden erhebliche Mengen an Wasser benötigt. So wurde der Standort in der Kirchwenderstraße aufgegeben und der Betrieb in ein neues Gewerbegebiet verlegt, an jene Stelle, wo die Ihme in die Leine mündet – den heutigen Standort.

Die neue Fabrik in Linden nahm 1890 mit einer 120 PS starken Dampfmaschine die Produktionstätigkeit auf. Um 1911 zählte die Belegschaft 90 bis 100 Mitarbeiter, davon waren etwa 10 % in der Verwaltung und 90 % angelernte Arbeiter und Arbeiterinnen. Das größte Problem der Kriegsproduktion 1914-18 war die Rohstoffbeschaffung, da zuvor 95% aller Rohfedern vor allem aus Russland, Serbien, Italien, Rumänien und China importiert wurden (auch wenn es Werner & Ehlers im Jahre 1917 gelang, einen nicht unbedeutenden Posten Rohfedern vom Kriegsfeind Frankreich zu erwerben). Die von Werner & Ehlers produzierten Daunenbetten erfreuten sich auch im Kriege reger Nachfrage. Doch die allgemeine Not, der Mangel an Ressourcen und die knappen staatlich gelenkten Zuteilungen führten zu erheblichen Einschränkungen der Produktion.

Nach dem Krieg mussten die unterbrochenen Handelsverbindungen wieder aufgebaut werden. Der Preis für Rohfedern hatte sich verdreifacht, und so musste auch Werner & Ehlers mindere Federqualitäten anbieten. Durch eine flexible Finanzpolitik und den Druck von Notgeld überstand die Firma die Inflationszeit mit mäßigen Verlusten. Der Umsatz betrug im Jahre 1926 bereits wieder 6,9 Millionen Reichsmark, 1927 9,4 Mio. Reichsmark und übersprang 1929 die Zehnmillionengrenze. Nach dem Tod von August Werner jun. (1879 – 1932) übernahm sein Neffe Werner Frucht die Leitung des Betriebs. Durch die Weltwirtschaftskrise hatte sich der Umsatz halbiert, und zum ersten Mal in der Firmengeschichte wurde nun ein Streik ausgerufen; die Akteure waren (laut Betriebschronik) “kommunistisch orientierte Hetzer”.

Mit der nationalsozialistischen “Machtergreifung” trat an die Stelle der verfolgten und verbotenen Gewerkschaften die Deutsche Arbeitsfront, in der die Arbeiter, Angestellten und auch Fabrikinhaber Frucht zwangsorganisiert wurden. Der NS-Staat verschärfte ab 1936 die planwirtschaftlichen Kontrollen. Die Beschaffung von Genehmigungen für Devisenankauf zum Import von Bettfedern gehörte nun zur wichtigsten Aufgabe der Betriebsführung. Mit Beginn des Krieges 1939 gingen die Federneinfuhren zunächst zurück. Doch nach den ersten Eroberungen standen Deutschland erhebliche Ressourcen zur Verfügung. Aus der Firmenchronik: “In den besetzten Gebieten organisierte die Reichsstelle den Markt an Rohfedern sehr straff. Eigene Dienststellen wurden errichtet, die keine andere Aufgabe hatten, als zusammen mit dem anfallenden Geflügel und Eiern auch den Anteil an Federn in die Bahnen zu lenken, die für eine Rohwarenbelieferung im Reich notwendig waren. Die Firma Werner & Ehlers stellte für eine solche Organisation ihren Reisenden Max Pätzold – für Krakau – zur Verfügung.”

Von den Luftangriffen auf Hannover war Werner & Ehlers dreimal betroffen. In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 1941 trafen 31 Brandbomben das Werk. Der Schaden blieb jedoch relativ gering. Am 8./9. Oktober 1943 jedoch wurde der Betrieb entscheidend getroffen, weitere Zerstörungen brachte ein Angriff am 18. Oktober. Einzig die Wasseraufbereitung, das Pförtnerhaus und das Kesselhaus mit Schornstein blieben erhalten. Teile der Produktion wurden nach Soltau ausgelagert.

Im Dezember 1945 erteilte die britische Besatzungsbehörde die Erlaubnis zur Wiederaufnahme der Produktion. Nach zähen Verhandlungen wurden Rohwarenbestände aus Bayern und Sachsen zurückgeholt, eine provisorische Schlosserei eingerichtet, ein behelfsmäßiger Maschinenpark zusammengeflickt und ein neues Kesselhaus errichtet. 1948 verfügte die Firma bereits wieder über 12 Sortiermaschinen und plante den Neubau von Expedition und Verwaltungsgebäude. Der Umsatz stieg von 666.000 Reichsmark (1946) auf knapp drei Millionen DM (1949). Das Verwaltungsgebäude wurde 1948/9 fertiggestellt, ebenso die Warenannahme. Angesichts einer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung wurde 1954 der Bau einer großen, zweistöckigen Versand- und Lagerhalle realisiert, die der hannoversche Architekt Ernst Zinsser entworfen hatte. Die Zinsserhalle steht heute ebenso wie das Kesselhaus mit Schornstein und die Fabrikmauer an der Leinaustraße unter Denkmalschutz.

Mit zunehmendem Konkurrenzdruck wurde auch bei Werner & Ehlers die Produktion zunehmend automatisiert und rationalisiert. Zu diesem Zweck entstand neben der Zinsserhalle eine weitere Produktionshalle, die so genannte 60er-Jahre-Halle. Die Zahl der Beschäftigten sank von 156 im Jahre 1956 auf 80 im Jahre 1972. Die Konflikte mit konkurrierenden Billiganbietern, die Synthetikwaren auf “Kaffeefahrten” zu verkaufen suchten, nahmen schärfere Formen an und endeten auch vor Gericht. Zu Beginn der 80er Jahre waren nur noch 50 Mitarbeiter für Werner & Ehlers tätig. Ihre Aufgaben reduzierten sich auf die Überwachung von automatischen Verarbeitungsstraßen. Nur noch dreißig Beschäftigte erlebten das Ende einer 129jährigen Tradition, besiegelt mit dem Konkurs im August 1990. Der Kauf und Abbau des Maschinenparks durch eine ungarische Firma stand am Ende der Bettfedernfabrik Werner & Ehlers Damit beginnt die Geschichte der Fabrikumnutzung, die das alte Fabrikgelände wieder neu belebt. Seit Dezember 1991 verwirklicht dort der aus einer Lindener Bügerinitiative hervorgegangene Verein Faust e.V. sein Konzept eines soziokulturellen Stadtteilzentrums.

Quelle: Horstmann, Holger; Kunisch, Wulf; Kreter, Karljosef:
Werner & Ehlers. Foto-Geschichte einer Fabrik. Hannover 1994