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Zusätzliches Geld, neue Gremien und mehr Mitarbeiter*innen sollen die Chancen erhöhen.

Nachdem der Rat der Landeshauptstadt die Bewerbung beschlossen hat, steht nun fest: Hannover will es wissen und nimmt ordentlich Geld in die Hand. Für dieses und das nächste Jahr hat der Rat zwei Millionen Euro bereitgestellt. Davon bedient sich die Verwaltung erst einmal selbst. Statt drei gibt es nun neun Mitarbeiter*innen im Team für die Bewerbung als Kulturhauptstadt. Das aufgestockte Projektmanagement ergänzt das bisherige Kulturhauptstadtbüro. Wegen Platzmangels ist das Team vom Ihme-Zentrum in das Neue Rathaus umgezogen. Der kommissarischen Kulturdezernentin Kostanze Beckedorf ist das Team direkt unterstellt. Anfang Oktober wurden von Oberbürgermeister Stefan Schostok ein Kuratorium und ein Beirat vorgestellt. Die Gremien bestehen aus Vertreter*innen der Bereiche Bildung, Marketing, Medien, Wissenschaft, Religion, Wirtschaft sowie der Gewerkschaften und Sozialverbände. Kulturschaffende aus Hannover wurden jedenfalls für die Gremien nicht benannt. Zusätzlich soll es noch einen Kulturrat geben. In den Kulturrat werden 18 bis 20 Personen berufen. Die Vorschläge zu den Personen kommen aus der Kulturverwaltung; grundsätzlich wurde zu jeder Kultursparte sowohl eine Vertreter*in der Hochkultur und eine Vertreter*in der Freien Kulturszene berufen. Entsprechend sind es etwa zehn Leute – also 50 % Beteiligung der Freien Kulturszene! Die berufenen Personen sind noch nicht offiziell bekannt. Ob auch Vertreter*innen der Migrant*innenselbstorganisationen dabei berücksichtigt wurden, ist noch nicht klar.

Der Entscheidungsprozess verlangt einen langen Atem für die Bewerber*innen.

Seit 1985 wählt die Europäische Union (EU) für ein Jahr zwei Städte als Kulturhauptstädte Europas aus. In diesem Jahr sind Leeuwarden in den Niederlanden und Valetta, Hauptstadt von Malta, die Kulturhauptstädte. Eine Entscheidung für das Jahr 2025 hat die EU bereits gefällt. Slowenien und Deutschland dürfen Städte vorschlagen.

Aufgrund einer gelungenen ersten Bewerbung hat die Kulturstiftung der Länder Ende September Hannover offiziell als „Candidate City“ anerkannt. Weitere Bewerberinnen in der größeren Auswahl sind: Dresden, Gera, Hildesheim, Nürnberg und Zittau. Im September 2019 muss Hannover einer Jury der EU eine Bewerbungsmappe vorstellen, das sogenannte Bit Book. Der zweite Schritt erfolgt durch die Veröffentlichung der engeren Auswahl durch die Jury mit den Namen der Städte, die in die zweite und entscheidende Runde kommen. Im Jahr 2020 besucht die Jury die ausgewählten Städte. Ihr vorgestellt wird jeweils ein zweites Bit Book mit einer Konkretisierung und Optimierung der Bewerbung. Die Bekanntgabe von jeweils einer Stadt in Deutschland und Slowenien erfolgt wahrscheinlich erst 2021. Damit ist das Auswahlverfahren beendet. Gewinnt Hannover, beginnen erst dann die Planungen im Detail.

Out of the box Workshop Nr. 1

Das Team Kulturhauptstadt hatte zum ersten Bewerbungs-Workshop eingeladen. Am 6. Oktober 2018 trafen sich im Pavillon über 100 kreative Köpfe aus Hannover Das Team erläuterte, welche Fragen das Bit Book beantworten muss: Wie kann Hannover beispielhaft für andere europäische Städte zeigen, wie sich die kulturellen Herausforderungen unserer Zeit zukunftweisend lösen lassen? Ausgangspunkt für die Überlegungen ist der vom Rat verabschiedete Entwicklungsplan Hannover 2030. Demnach soll das Bit Buch enthalten: das Zusammenspiel von Kunst, Gartenkunst und Stadtraumentwicklung, Baukunst und Architektur, Mobilität, Nachhaltigkeit sowie des internationalen Austauschs. Und das alles unter dem Dach des beschlossenen Arbeitstitels „Nachbarschaft“.

Ein Glücksreferat für Hannover?

Die kreativen Köpfe ließen sich als kostenlose Ideensammler von den Vorgaben nicht abschrecken. In 12 Arbeitsgruppen (AGs) wurden mit ungebremsten Engagement vielerlei Vorschläge gemacht, festgehalten mit Zetteln auf Pinnwänden. Bei der Präsentation gab es auch unkonventionelle Ideen. Eine AG schlug vor, ein Glücksreferat einzurichten. Begründung: Auf diese Weise könnte die Bevölkerung motiviert werden, sich am Ideenwettbewerb mit ihren Wünschen zu beteiligen. Die Gründung eines Hauses der Kulturen stand im Mittelpunkt einer weiteren AG. Für die Aufgaben und die Ausgestaltung dies Hauses wurden sehr konkrete Vorschläge gemacht. Begründung: Zusätzlich zum bestehenden Haus der Religionen sollte ein Haus der Kulturen die kulturelle Viellfalt in Hannover abbilden. Das Team versprach, alle Vorschläge sorgfältig auszuwerten. Der gewünschte Dialog würde durch weitere Workshops im nächsten Jahr fortgesetzt.

Die “Superdezernentin” für Soziales, Sport und Kultur, Frau Beckedorf, kam aus Neugier, wie sie sagte, am Nachmittag. Sie bedankte sich für die aktive Mitarbeit der Kulturschaffenden. Die Bürger*innenbeteiligung an dem Bewerbungsprozess sei ihr besonders wichtig. Dafür hätte die Verwaltung bereits den mobilen Kulturhauptstadt-Kiosk eingesetzt, der in allen Stadtteilen die Menschen informieren würde.

Erstes Fazit: Hannover ist mit Volldampf dabei, seine Bewerbung zum Erfolg zu führen. Der am meisten unterschätzten Landeshauptstadt könnte die Bewerbung eine größere Aufmerksamkeit und Anerkennung ihrer Kulturangebote bringen. So sahen es die meisten Kulturschaffenden. Ob die Bewerbung nur dem Marketing und der Imagepflege für Hannover dient, muss sich noch herausstellen. Da die Vertreter*rinnen des Schauspiels, der Staatsoper und der Museen bei dem Workshop fehlten, ist die Frage, welche Interessen sie durchsetzen wollen. Die Konkurrenz um zusätzliche Fördermittel zwischen der staatlich geförderten sogenannten Hochkultur und der freien Kulturszene wird, das ist absehbar, nicht ab-, sondern eher zunehmen. Soll die Vielfalt der Kulturen sichtbar werden, ist auch die Beteiligung der Migrant*innenselbstorganisationen unerlässlich.

Welt-in-Hannover.de wird den Bewerbungsprozess kritisch begleiten. Versprochen!

Artikel: Jürgen Castendyk (Welt in Hannover)
Foto: Landeshauptstadt Hannover

www.welt-in-hannover.de