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Wang Ning


Eine Ausstellung in Siegelschrift


So, 09.09.18

Öffnungszeiten: Sa und So 10-18 Uhr

Eintritt: frei

“Dal nulla arrivo su questa terra” – mit einem Strich beginnt der Kalligraph seine Arbeit. Dabei wird nicht nur das Schriftzeichen “Eins” in seinem Sinne und seiner Bedeutung erklärt, sondern zugleich tritt auch die darin verkörperte Weltanschauung jenes Volks vor langer Zeit klar und deutlich hervor: In dem Moment, wo die “Eins” oder ein erster Strich auf dem Papier erscheint, eröffnet sich dem Betrachter das Geschehen am Übergang vom “Nichtssein” zum “Dasein”: – Von Nichts komme ich auf diese Erde.

Die chinesische Kalligraphie ist eine Kunst, die seit über 5000 Jahren fast ohne Veränderungen in der Stilrichtung oder den technischen Hilfsmitteln ausgeübt wird. Hervorgegangen ist sie aus der alten Schreibkunst mit Pinsel und Tusche. Aus der Schrift entwickelte sich die “Kunst der Symbole”. Diese wurden künstlerischer und vielfältiger und verbanden sich mit der Weisheit des Volkes sowie der Philosophie seiner großen Denker. Schließlich bildeten philosophische Weisheit und künstlerische Ausdrucksweise in den Schriftsymbolen eine Einheit: Es entstand das erste Bild. Ein solches Bild drückt ergänzend aus, was wir mit Worten zu sagen vermögen.

Da die gemalte Schrift Pate stand, hat jeder Pinselstrich in vorgeschriebener Richtung zu erfolgen; eine Lehre, die für Nicht-Asiaten schwer verständlich ist. Bei praktischen Übungen stellt sich jedoch schnell heraus, dass ohne Anwendung dieser Regeln ein “Chinesisches Zeichen” nicht zustande kommen kann. Deshalb ist die wesentliche Lehrmethode eines Meisters, jeden Strich immer wieder genau zu kopieren.

Die Kalligraphen bedienen sich bei ihrer Arbeit der so genannten vier Schätze der Studierstube: Pinsel, Tusche, Reibstein und Papier. Diese sind voneinander abhängig und jeweils von großer Symbolik geprägt. Sie sind die materialistischen Mittel, um die Harmonie von Himmel und Erde im jeweiligen Bild auszudrücken. Zusammen manifestieren diese vier Schätze das Dao – den Weg.

Es ist ein sakraler Ritus, die frische Tusche vorzubereiten. Der aus dem Ruß des Kiefernharzes und Leim bestehende Tuschstab wird mit etwas Wasser in einem ausgehöhlten Reibstein gleichmäßig zur Flüssigtusche angerieben. Bei dieser Tätigkeit, die 10 Minuten bis eine Stunde dauert, versenkt sich der Geist des Künstlers gedanklich bereits in das geplante Werk. Die Tusche kann vom tiefsten Schwarz bis zum zarten Grauton, welcher mystische Stimmungen erzielt, reichen. Wenn der Meister seinen Pinsel in die Tusche eintaucht, taucht er ihn gleichsam in die eigene Seele ein. Der erste Pinselstrich entscheidet über das gesamte Schicksal des Bildes und gibt den Grad der Disziplin und Genauigkeit für die restliche Pinselführung vor. Die Pinselstriche des Kalligraphen erfordern eine vollständige Beherrschung der Technik; erst dies ermöglicht dem Künstler, seine künstlerischen Ideen sofort mit einigen Strichen festzuhalten. Mit jedem Strich malt er die Schönheit des Lebens, während er in der ruhigen Stimmung der Meditation verweilt. Ein chinesischer Kalligraph ist somit nicht nur Künstler, sondern immer auch Philosoph und Poet.

Wang Ning, Kalligraph, Siegelschneider, Übersetzer und Taiji-Lehrer, hat in Peking deutsche Literatur und Sprachwissenschaft studiert und lebt seit Ende der 80er-Jahre in Frankfurt am Main. Aufgrund seines Lebenslaufes ist es dem Künstler möglich, Brücken zwischen chinesischem und westlichem Denken und Fühlen zu schlagen. Wang Ning versteht Kalligraphie als Bewegungskunst mit Tusche und Pinsel. Der Entstehungsprozess seiner Werke und die fortwährende Arbeit an Ausführung sowie Atemtechnik ist eng mit den chinesischen inneren Bewegungskünsten Qigong und Taijiquan verwandt. In Wang’s Kalligraphien manifestiert sich neben einer spezifischen Vorstellung von Alter und Dauerhaftigkeit, zugleich die in der chinesischen Kultur allgegenwärtige Sehnsucht nach einem langen Leben und Unsterblichkeit.

Öffnungszeiten der Ausstellung:
Samstag, 8. September – Sonntag, 9. September 2018,
täglich von 10 bis 18 Uhr

Vernissage:
Freitag, 7. September 2018, 20 Uhr